Donnerstag, 30. März 2006
25. März 2006 Berlin Charlottenburg

 

Dieses Mal wurde ich von der reizenden Miss Bildung begleitet, und wie der Zufall es wollte,
gab es gleich zwei Vernissagen auf einmal. Wenn das nicht das Künstlerherz
erfreut!
Großraumbilder in allen Farben, die die Palette hergab, empfingen uns.
Sie waren sehr technisch, wirkten von den Motiven her jedoch ein wenig, nun
... wie soll ich sagen ... verstaubt. Siehe da, sie waren tatsächlich alten
Zeitschriften entnommen, und so tobten Hausfrauen in geblümten Kleidern
und sehr arbeitssame Männer durch die Bilder – immer umgeben von
Unmengen Kabeln und viel Metall. Besonders faszinierte mich die teilweise grüne
Gesichtsfarbe der Protagonisten, die dem Teint eine besondere Note verlieh sowie
einer jener arbeitssamen Männer, der, scheinbar seiner Psychose erlegen,
seinen Arm hob und irre auf eine der Damen blickte.
Miss Bildung, immer begierig darauf zu erfahren, wie etwas entstanden ist, bekam
heraus, daß die Bilder mittels eines Beamers entstanden sind. Wie kreativ!
Also Leute, kramt Eure alten Dias heraus und nichs wie ran an die Wände
damit. Es lassen sich tolle Effekte durch Rubensfrauen in knappen Bikinis und
bierbäuchigen Männern in schicken Badehosen erzielen, die sich andächtig
unter der Sonne Mallorcas räkeln.
Derart motiviert betraten wir die nächste Vernissage. Wir benötigten
nur drei Schritte dorthin, doch angesichts dessen, was uns dort erwartete, brauchten
wir erst einmal ein Glas Wein, denn, ich spreche es nur ungern aus, Nippes,
riesiger gemalter Nippes auf sehr großen Bildern harrte dort unser. Er
war überall, prangte in Form von Dackeln, Häschen, schicken preußischen
Offizieren und anderem Gekreuch auf jeder freien Fläche. Welch Horrorvision,
nun anstelle des kleinen Porzellannippes, dessen sich die meisten so meisterlich
entledigt haben, derartige Monstrositäten an die Wände zu hängen.
Völlig erschlagen vom Riesennippes stachen die zwei Mephistos schier ins
Auge. Sie wirkten geradezu interessant und ... nun ja, das hat Mephisto so an
sich ... andersartig, so dies überhaupt bei diesem Thema möglich ist.
Ich sage es mal so, es war das Altrosa unter dem flächendeckenden Pink.
Na denn Prost.
Miss Bildung und ich hatten uns danach die Riesenpizza wirklich verdient.

 

Man will ja immer was für seine Bildung tun, ich jedenfalls, aber manchmal habe
ich den Eindruck, daß gerne mal dem Menschen eine Art Miss-Bildung untergejubelt
wird, oder Fehl-Bildung oder zuviele Informationen oder verfälschte...
Naja, man muß wohl unterscheiden lernen...
Also auf zur Bildung:
Phoenix Ichebod und meine Wenigkeit zogen los, zwei Vernissagen auf einmal,
kaum zu glauben...Während ich beim Anblick der hell erleuchteten Schaufenster
hin- und hergerissen bin, welchen Raum wir zuerst besichtigen, stürzte
schon ein überaus eifriger junger Mann auf uns zu, um uns die Tür
aufzuhalten - die Entscheidung wird uns abgenommen. Wir sind die ersten, naja,
kann ja mal passieren. Der eifrige junge Mann erklärte uns sofort, daß
alle Bilder schon weg seien und nur die drei im Hinterzimmer noch zu haben wären...
Die Bilder sind sehr groß, darauf in eher schreienden Farben - schon gut, ich weiß, das ist ein Stilmittel - Menschen bei der Arbeit, auf dem Jahrmarkt oder auch mal in Bars oder sonst irgendwo, die Fehlfarben führen ja auch gerne mal in die Irre...Apropos, da gab es auch eine gemalte Dame, die hatte zwei unterschiedlich große Punkte auf den Augen, einen roten und einen grünen, seltsam...wie die drei-D-Brillen damals...was das wohl soll? Per Beamer alte Fotos, teilweise aus Zeitungen auf die Leinwand geworfen - ah ja...Malen nach Zahlen also, salopp gesagt, oder in diesem Falle: Malen für Zahlen.
Phoenix sah hie und da den Wahn aus dem Bild hervorbrechen - bißchen fixiert scheint mir...
Naja, Ortswechsel - hier gibt es auch nichts zu trinken ;)

Wenige Schritte weiter die nächsten Kreationen: ETWAS weniger schreiende Farben aber dafür schreiender Kitsch - pardon!
Auch alles schön groß, ein farbiger Hintergrund und davor in Porzellanmanufaktur-Farbigkeit detailliert gemalter NIPPES.
Wo ist der Wein? Zum Glück nicht fern...schon besser.
Tja, was soll ich sagen? Auch mit dem Beamer auf die Leinwand geworfen? Irgendwie fühle ich mich an Jeff Koontz erinnert...Nicht ganz dasselbe, aber nahe dran...Okay, man kann nicht andauernd das Rad neu erfinden, schon klar...
Der Jesus hatte aber echt Wasser im Knie, qualitätvoller Nippes war das nicht, am Maler wird's ja wohl nicht liegen? Der Mephisto ist noch der "ansprechendste" unter all den Dackeln, Karnickeln, Hirschen, niedlichen Kindern etc. - aber die Titel bringen's - "Anna Karenina" oder "Der Stadtneurotiker" oder "Der Tiger von Eschnapur" (warum ist da ein Elefant drauf - egal)....die Titel klingen vielversprechend, oder?
In dieser Ausstellung ist der Inhalt des Bildes schnell und einfach erschlossen - die soziale Frage? Der Sinn? 42? Nichts dergleichen, scheint mir...ich überlasse die Erklärung dem Künstler.

Ich habe neulich einen Film über einen berühmten Künstler gesehen, darin sagt ein Freund desselben: Tja, wenn Du berühmt werden willst, mußt Du etwas malen und wenn die Leute darauf stehen, dann immer und immer wieder dasselbe malen, auch wenn es Dir zu den Ohren rauskommt, damit die Leute sich an Dich erinnern...nur dann kannst Du vielleicht berühmt werden."
Im Film funktioniert die Welt wohl so - naja, eine Kunstwelt in ihrem schicken Elfenebeinturm, die den Menschen nicht nahe kommen will, sondern Ihnen einen langen Text erzählt, wie sie ihre Kunst verstehen sollen...
Ob das hier auch so ist?

 

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